Die Greiffenclau-Zeit und ihre Palastbauten in Würzburg

 

Kuno Mieskes, Die Palaisbauten der Greiffenclau-Zeit in Würzburg, 1699-1719 (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Reihe VIII: Darstellungen aus der fränkischen Kunstgeschichte Band 19), Neustadt a. d. Aisch 2020, ISBN 978-3-86652-819-2.

 

Die Greiffenclau, war’n das nicht die… ? – Ja, richtig, die nach den Schönborns. Aber egal, zumal diesmal nicht Kirche und Adel oder gar blaublütig-blumige Geschichte(n) im Fokus stehen, sondern zwanzig Jahre „profaner“ Architektur des Spätbarock in Würzburg, unter der Ägide des Fürstbischofs Johann Philipp von Greiffenclau.

 

Die Palaisbauten der Greiffenclau-Zeit in Würzburg (1699-1719)

Die Palaisbauten der Greiffenclau-Zeit in Würzburg (1699-1719)

Stadtgeschichte Würzburgs und die repräsentativen Wohnbauten im 17. und frühen 18. Jahrhundert

 

Erfreulich kompakt wird eingangs der Forschungsstand zu den repräsentativen Wohnbauten dieser Zeit im Anschluss an ein knapp gehaltenes Vorwort und eine ebensolche Einleitung zum Textteil I referiert (zum Glück, denn wer will allen Ernstes detailreich von Befindlichkeiten des Autors und seinen Huldigungen wissen?). Sprich: Warum sollte es sich lohnen, mehr über das Thema zu erfahren und das Buch zur Hand zu nehmen? Eine kurze quellenkritische Vorbemerkung und ein stadthistorischer Abriss zum Vorbarock in Würzburg genügen, um für die folgenden „Porträts“ neun prägender Palastbauten auf rund 150 Seiten gerüstet zu sein (Teil I/2), Baugeschichte und -analyse jeweils vorbildlich voneinander getrennt. Das Potpourri der Palais umfasst bekannte und weniger bekannte Ensembles wie den Bechtolsheimer Hof, die Höfe Emeringen, Friedberg, Frankenstein und zum Heubarn, daneben die Palais Rosenbach, Würtzburg und Greiffenclau sowie das Hauger Kapitelhaus.

Die Befunde werden im Anschluss (Teil I/3) stilistisch analysiert, Grundrisse und Fassaden verglichen, Typisierungen vorgenommen, um die Ergebnisse kunsthistorisch einordnen zu können und mithilfe eines kurzen Exkurses zu Baumeistern und dem Guttenbergpalais (ja, richtig, DIE Guttenbergs!) zu einem Resümee oder Forschungsergebnis zu gelangen.

 

Fotomaterial und Abbildungen zu den Palaisbauten der Greiffenclauzeit

Greiffenclau Palais in Würzburg vor 1874

 

Teil II ist den Bildern vorbehalten. Mit über 200 Abbildungen von gezeichneten und gestochenen Plänen und Grundrissen, alten Fotos, darunter etliche Vorkriegsaufnahmen, aktuellen Ansichten sämtlicher Baukörper von innen und außen nebst Fassaden, Details und möglichen oder unmöglichen (französischen und italienischen) Vorbildern lässt dieser kaum Wünsche offen – abgesehen vom nötigen Blättern vielleicht…
Aber halt, dafür ist das goldene Lesebändchen da, eine geniale, leider gänzlich rar gewordene Lesehilfe! (worauf wir vom Ph. C. W. Schmidt Verlag und auch von der Druckerei Schmidt aus unsere Kunden gerne aufmerksam machen).
Auch für den Anhang (Teil III) erweist es sich als absolut nützlich, zumal dort auf über hundert Seiten streng chronologisch aufgeführt, nummeriert (Q 1-116) und sorgfältig ediert, alle relevanten zeitgenössischen Quellen zu Baugeschichte und Besitzern nebst neueren Bauakten sowie -meistern wie Petrini und Pezani zusammengetragen wurden. So werden im Übrigen nicht nur die andernorts hoffnungslos überfrachteten Anmerkungen bei wohltuend „verschlanktem“ Hauptteil entlastet, sondern auch die Augen des geneigten Lesers. Selbstverständlich fehlen am Ende weder ein Literaturverzeichnis, noch Personen- und Ortsregister.

Selten präsentiert sich eine kunsthistorische Studie so übersichtlich und gut strukturiert, abseits abseitiger Sprachverwirrung, nebulöser Worthülsen und selbstreferentiellem Gedöns. Das kann nur gelingen, wenn der Autor – unabhängig vom tatsächlichen Erkenntnisgewinn – eine klare Vorstellung von Untersuchungsgegenstand, methodischem Handwerkszeug seiner „wissenschaftlichen Zunft“ und vor allem interessante Fragen hat – und Erkenntnisgewinn wortreicher Profilierung vorzieht.

Zudem wäre mit vorliegendem Band wieder einmal bewiesen, dass sich auch gründliche Korrekturen, gutes wissenschaftliches Lektorat und saubere Verlagsarbeit allemal lohnen – Gratulation!

Ach ja, übrigens… die von Greiffenclau kommen aus Hessen, der Greif ist eine auf Wappen, in der Natur (bisher?) noch nie gesichtete Mischung aus Raubvogel und Löwe – und der “clau“ ist keine Straftat, sondern Klaue bzw. Schenkel besagten Phantasievogels. 🙂