Dass dieser beinahe 1000 Seiten starke Wälzer im Impressum als „Heft 37“ der Veröffentlichungen des Stadtarchivs Schwäbisch Hall bezeichnet wird, mutet witzig an, zeigt aber doch zumindest, wie reichhaltig die Geschichte von Schwäbisch Hall und die Arbeit ihres Archives ist. Dieses dicke „Heft“ mit seinen 35 Artikeln zu der direkten Nachkriegszeit ist das Ergebnis eines 5 Jahre währenden Forschungsprojektes. Die Artikel sind nach übergeordneten Themen sortiert und behandeln den Zeitraum von 1945 bis 1950.

 

 

Es ist unmöglich, all diese spannenden Beiträge zu würdigen, ohne den Rahmen zu sprengen. Sie beleuchten eine Vielzahl von kleinen Geschichten in der Geschichte, von Einzelschicksalen wie dem bis heute ungeklärten Mord an Bildhauer und Maler Ferdinand Konzelmann, der sich in die Stimmung von Chaos und Gewalt und dem persistierenden Fremdenhass einfügt, bis hin zum Wiederaufbau von Kultur und Gesellschaft, etwa wenn es um die Einrichtung eines Kinos in Gailheim und den Versuch der Wiederherstellung von Normalität geht.

Auch finden sich Chroniken der größeren Ereignisse zum Kriegsende im Buch. Das Leben unter der Besatzung wird beschrieben; Ausgangssperren, Entnazifizierungsmaßnahmen und die Festnahme von Kriegsverbrechern, Plünderungen und Beschlagnahmungen, Vertreibungen und die Ankunft von Displaced Persons brachten weitere Unruhe in eine zerbrochene Gesellschaft, die sich nun in einer veränderten Welt orientieren und mit ihrer eigenen Mitschuld und der ihrer Nachbarn umzugehen lernen musste. Über die Vorkommnisse in der Besatzungszeit lassen sich Sitzungsprotokolle und die Zeitung der amerikanischen Soldaten heranziehen, aber auch Vernehmungsprotokolle und Polizeiakten von der Nachverfolgung nationalsozialistischer Verbrechen.

Aber auch andere, vielleicht bisher vernachlässigte, Themen finden sich im Band wieder. So berichtet Heike Krause von grassierenden Haut- und Geschlechtskrankheiten und in einem anderen Beitrag von den Verwerfungen, als die während des Krieges und der kriegsbedingten Abwesenheit der Männer eingesetzten Ärztinnen durch die nun wieder heimgekehrten Ärzte ersetzt werden sollten. All das fügt sich zusammen zu einem Gesamtbild von Gesellschaft und Alltag in der direkten Nachkriegszeit. Sehr lesenswert, nicht nur für Einwohner von Stadt und Landkreis Schwäbisch Hall, sondern für alle, die einen Eindruck davon bekommen wollen, wie es in den letzten Kriegstagen und nach dem Krieg in deutschen Städten aussah.

 

Nach dem Krieg. Beiträge zur Geschichte in Stadt und Landkreis Schwäbisch Hall 1945-1952. Schwäbisch Hall 2024. Herausgegeben durch das Stadtarchiv Schwäbisch Hall. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Schwäbisch Hall Heft 37. Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN 978-3-932146-49-7.