Heiko Braungardt, Der Würzburger Goldschmied Georg Stephan Dörffer (1771–1824)
Dörffer – ein kunstfertiger Kaufmann auf dem „schnellen Markt“ oder ein wahrer Künstler in Gold und Silber? Oder beides? Entscheiden Sie selbst …
… denn endlich liegt sie als blitzsaubere Publikation im Druck vor, die überarbeitete, ergänzte und 772 Seiten umfassende Version von Braungardts 2013 an der Universität Würzburg eingereichten und seinerzeit mit dem Gedenkpreis der Unterfränkischen Jahresstiftung ausgezeichneten Dissertation – ein Standardwerk zur Würzburger Gold- und Silberschmiedekunst um 1800.
Der ausführlichen Einleitung zu den Forschungsgrundlagen, der Literatur und den Quellen folgt ein Kapitel zum methodischen Vorgehen angesichts der bei den Gold- und Silberschmieden an der Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert zwischen traditionellem Kunsthandwerk und seriell, ja vorindustriell produziertem Kunstgewerbe und der damit latent vorhandenen Problematik eines schwer quantifizierbaren Werks.
Also lotet der Verfasser in Teil A zunächst die Situation der Gold- und Silberschmiede in Würzburg im 18. Jahrhundert zwischen Kunsthandwerk und Kunstgewerbe aus, bevor er auf die Werkstatt von Dörffers Vater Johann Baptist (beziehungsweise dessen Witwe) eingeht. Dörffers persönlicher Werdegang wird dann ebenso genau betrachtet wie sein Werk samt der von ihm verwendeten Marken, seinen Auftraggebern, einer Schaffenschronologie, seinen spezifischen Arbeitstechniken und seinem persönlichen Stil – nicht ohne ausführlich die zeitgenössische „Szene“ in den deutschen Zentren des Silberhandwerks sowie die englischen, französischen und Straßburger Hot Spots und Vorbilder einzublenden und im Anschluss, zugleich als Abschluss des gut 500 Seiten umfassenden ersten Teils, einen Blick auf die Nachfolge und die Söhne zu werfen und auch eine kunsthistorische Bewertung zu wagen. Es folgt in Teil B ein Verzeichnis mit 243 beziehungsweise 256 erhaltenen oder auch archivalisch nachweisbaren Werken Dörffers sowie seines Vaters und seiner Söhne auf knapp 260 Seiten.
Fest steht, Dörffer war als wohl bekanntester Goldschmied der Bischofsstadt, so kann der Autor überzeugend darstellen, zugleich ein findiges Vertriebsgenie und ein erfolgreicher Medien- und Marketingprofi. Er verstand es meisterlich, seinem kaufkräftigen, bürgerlichen Kundenklientel glänzend Profanes, gleichwohl Statusträchtiges wie repräsentative Leuchter, elegante Kannen und Kelche, zierlich durchbrochene Körbchen und Schälchen, dekorative Becher und standesgemäße Bestecke in Musterheften und -katalogen in Wort und druckgraphischen Abbildungen zu offerieren. Dabei bediente er sich neu aufkommender Journale („Journal des Luxus und der Moden“) und Magazine („für Freunde des guten Geschmacks …“), aber auch Musterhefte und -kataloge, die ihn und auch das Publikum über Trends und Must-Haves des zeitgenössischen Tafelsilbers informierten. Das Ergebnis war ein modernes, am Kundengeschmack orientiertes Sortiment, das zum Teil unter Einbezug vorgefertigter Teile und Ornamente entstanden war. Für die Geistlichkeit fertigte er ein bisweilen eher traditionelles Kirchengerät wie Monstranzen, Messkelche, Ziborien, Reliquiare und vieles mehr. Sogar in Lokalzeitungen schaltete er entsprechende Annoncen – mit durchschlagendem Erfolg. Und wenngleich sich sein Œuvre heute auf Kirchen, Museen und in Privatbesitz im In- und Ausland verteilt findet, so hat sich doch eine beträchtliche Sammlung vor Ort im Museum für Franken erhalten.
Vom eher konservativen, noch mitunter barock beeinflussten Geschmack beim Kirchensilber zum Goût grecque, étrusque und égyptien oder dem Style Empire beim moderneren, dekorativen Tafelgerät – bis heute kann dank dieser großen Bandbreite jede und jeder ein persönliches „Lieblingsstück“ oder ein „Dörffer-Favourite“ finden … wie etwa das edle, in seiner Schlichtheit bestechend und fast zeitlos elegante Milchkännchen von 1805/10 mit kühn geschwungenem Birnbaumgriff auf dem Titel.
Erschienen ist das umfangreiche Werk von Heiko Braungardt mit seinen fast 800 Seiten und über 450 Abbildungen im renommierten mittelfränkischen Verlag PH.C.W. Schmidt als Band 91 der Mainfränkische Studien, die von den Freunden Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. herausgegeben werden. „Der Würzburger Goldschmied Georg Stephan Dörffer (1771–1824)“ kann mit der ISBN 978-3-949015-01-4 für 69,00 € direkt beim Verlag PH.C.W Schmidt oder über den Buchhandel erworben werden.
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