Lothar Freiherr von Faber (1817-1896), einer der führenden Unternehmer seiner Generation, ist bekannt als Firmenleiter, der die Bleistiftmanufaktur seiner Familie durch Ausbau und Weiterentwicklung zu neuer Größe und Reichweite führte, von einem kleinen, kaum wirtschaftlichen Betrieb hin zu einem weltweit agierenden Großunternehmen. War er bislang vor allem durch seine Leistungen als Geschäftsmann und Mitbegründer eines Traditionsunternehmens zum Gegenstand der Forschung geworden, so rückt Renate Hilsenbeck, langjährige Leiterin des Firmen- und Familienarchivs Faber-Castell, anhand des reichhaltigen Quellenmaterials nun neben seiner geschäftlichen Tätigkeit auch das Privat- und Familienleben des Lothar Freiherrn von Faber neu in den Fokus.
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Ein Unternehmer und seine Familie
Aus Briefen, geschäftlichen Dokumenten, Tagebüchern, persönlichen Notizen und weiteren Quellen erfährt man von der engen Verbindung Lothars zu seiner Frau Ottilie, vom schwierigen Verhältnis zu seinen Brüdern Johann und Eberhard, die schließlich ihre eigenen Unternehmen gründeten, sowie von den familiären Schicksalsschlägen, die die Suche nach einem geeigneten Nachfolger für die Geschäftsführung seines Unternehmens erschwerten. Deutlich wird der bisher unterschätzte Einfluss Ottilies auf das Unternehmen und die Tätigkeiten ihres Mannes, sowie die tragende Rolle, die sie bei der Gestaltung des Familienlebens und der Verwaltung der zahlreichen Besitztümer übernahm. Auch die verschiedenen Facetten von Lothars eigener Persönlichkeit werden sichtbar, vom geschäftsorientierten Unternehmer und weltoffenen Bildungsbürger hin zum besorgten Familienvater und tiefgläubigen Protestanten.
Mehr als Familiengeschichte
Die in Renate Hilsenbecks umfassender Darstellung präsentierten Dokumente sind auch Zeitzeugenberichte des 19. Jahrhunderts mit seinen zahlreichen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen. So zeugen sie vom Spannungsfeld zwischen aufstrebendem Industrie- und altem Geburtsadel, in dem sich die Familie bewegte. Einerseits war Lothar bestrebt, seinen Erfolg nicht Geburt oder Glück, sondern Leistung und Disziplin zuzuschreiben, andererseits glich er sich mit dem Kauf von Ländereien und dem Bau von Familienanwesen an den adeligen Lebensstil an. Interessant ist auch die zeitgenössische Wahrnehmung wichtiger historischer Ereignisse, darunter die deutsche Revolution 1848 oder der amerikanische Bürgerkrieg, und der Einblick in das Leben und Denken in Europa in der Epoche der Industrialisierung, sowie die europäische Perspektive auf die Entwicklung Amerikas. Es geht also nicht nur um die Geschichte einer Familie oder eines Unternehmens, sondern um ein Stück Zeitgeschichte.
Renate Hilsenbeck: „Lothar Freiherr von Faber und die ‚Bleistiftdynastie‘ “, herausgegeben von der Gesellschaft für fränkische Geschichte e.V. (Reihe XIII, Neujahrsblätter, Band 54), erscheint im Dezember 2024 im Verlag PH. C. W. SCHMIDT aus Neustadt an der Aisch, ISBN 978-3-86652-054-7, Ladenpreis 59,00 €