Der Roman als Form des Erinnerns
Opferforschung wider das Vergessen. Die Erinnerung an die dunklen Seiten der deutschen Geschichte, hier des Nationalsozialismus, ist nicht nur in der Form spröder historischer Untersuchungen möglich. Beginnend unter anderen mit Andersch, „Efraim“ und „Winterspelt“ und spätestens seit dem kontrovers diskutierten Buch von Timur Vermes, „Er ist wieder da“, ist das Erzählformat Roman auch zur Aufarbeitung der NS-Geschichte etabliert.
Fiktion und Tatsachen: Nürnberg und Hagenbüchach als Schauplätze zweier Romane über das Dritte Reich
Für unseren fränkischen Raum gibt es dazu zwei Neuerscheinungen:
Bertram Schacher, Das Jakoberhaus. Die Deportation Kärntner Slowenen in das Lager Hagenbüchach, Roman nach einer wahren Begebenheit, Neustadt a. d. Aisch 2017. ISBN 978-3-87707-110-6.
und
Rainer Suwall, Hitlers Himmelfahrt. Ein Dinner in sechs Gängen, Verlag testimonio, Nürnberg 2017.
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Bertram Schacher, Das Jakoberhaus. Die Deportation Kärntner Slowenen in das Lager Hagenbüchach, Roman nach einer wahren Begebenheit, Neustadt a. d. Aisch 2017. ISBN 978-3-87707-110-6. >>>>> BESTELLEN
Viel wurde in den letzten Jahren über die Opfer der NS-Zeit geforscht und geschrieben . Dass uns deren tragisches Schicksal auch heute noch in unserem unmittelbaren und eng vertrauten Lebensumfeld plötzlich „einholen“ kann, macht das vorliegende Romandebüt nur allzu deutlich. Der Autor war in seiner Heimatgemeinde über Jahrzehnte hinweg ehrenamtlich und auch politisch tätig, bis er eher zufällig auf ein „dunkles Geheimnis“ in der Geschichte des markanten und allseits bekannten Jakoberhauses im Nachbardorf Hagenbüchach stieß.
Dieses war vor oder um 1925 vom Nürnberger Architekten Hans Jakober ursprünglich als Erholungsheim für Offiziere geplant und erbaut worden, diente aber von Ende April 1942 bis Oktober 1943 zur Aufnahme von etwa 300 (?) slowenischen Zwangsarbeitern. Sie waren im April 1942 von Gestapo, SS und Helfern des NSDAP vor Ort im österreichischen Kärnten zusammen mit insgesamt 1.1000 Leidensgenossen gewaltsam zusammengetrieben und unter Verlust von Freiheit, Heimat, Haus und Hof – sowie manchmal auch Lebens – zur Zwangsarbeit “heim ins Reich“ und eben auch nach Mittelfranken deportiert worden. Die oft deutschsprachigen, seit Generationen in Kärnten ansässigen Bauern und Handwerker, national gesinnt und streng katholisch, galten plötzlich als politisch unzuverlässige „Elemente“, ja rechtlose Staatsfeinde und Volksverräter mit mutmaßlich subversiven Kontakten zum Kriegsgegner Jugoslawien, weil sie eben auch an ihrer slowenischen Kultur und Sprache festhielten.
Im Roman wird das bislang nahezu unbekannte Schicksal dieser Menschen an der fiktiven Geschichte des damals 15-jährigen Franz aus einem kleinen Dorf am Faaker See nachgezeichnet. Über 60 Jahre nach seiner Deportation legt er nun am Kranken- und Sterbebett in Anwesenheit des aus Franken angereisten Enkels und dessen Freund Zeugnis über die schweren Monate in der Fremde ab. In die Dialoge und mit vielen Details unterlegten Rückblicke des Großvaters sind wie zur Auflockerung des schweren Themas auch eher alltägliche Dinge wie Kochrezepte für „Kärntner Fleischnudeln“, „Türkensterz“, einer Art von Polenta, oder auch für fränkische Kartoffelsuppe eingefügt. Im Anhang des Romans finden sich sowohl ein Abdruck des Einsatzbefehls des Reservepolizeibataillons 171 für die Zwangsumsiedelung als auch eine alphabetische Liste der damals deportierten Kärntner Slowenen samt Hofnamen, Angehörigen, Wohn- und Verbringungsorten sowie weiteren Literaturhinweisen.
Ein achtbares Debütwerk mit einem höchst interessanten historischen Hintergrund mitten im heimatlichen Mittelfranken. Um so wichtiger, wie es in der Besprechung von Bernd Zachow heißt: „Im heutigen Hagenbüchach kann sich niemand mehr an die Kärtner Slowenen erinnern, in der mehr oder minder offiziellen Ortschronik findet sich kein Wort über sie.“
Rainer Suwall, Hitlers Himmelfahrt. Ein Dinner in sechs Gängen, Verlag testimonio, 314 Seiten, Nürnberg 2017.
Der Roman spielt im Jahre 1938. Die Geschichte einer Gruppe von Attentatswilligen auf den Führer ist in die große Politik der damaligen Jahre wie Anschluss Österreichs, Verlegung der Reichskleinodien nach Nürnberg und der Reichspogromnacht eingebettet. Schnell im Stil, aktionsreich und teilweise skuril !