Beschreibung
Wie kann das Archiv einer nur mittelgroßen Stadt, die jedoch von Kaiser Karl IV. äußerst geprägt ist und direkt an der „Goldenen Straße“ liegt, zur geplanten Deutsch-tschechischen Landesausstellung 2016/2017 einen zeitgeschichtlich sinnvollen, guten und überregional interessanten Beitrag leisten? […] Es galt also, etwas ganz anderes zu finden, das gleichermaßen die deutsch-tschechischen Verbindungen der Stadt Lauf durch die Jahrhunderte fokussiert und sich auf die Kernaufgaben archivischer Arbeit besinnt: die Geschichte der Stadt zu bewahren und für nachfolgende Generationen abrufbar und erlebbar zu machen. Schnell rückte im Zuge dieser Überlegungen die doch große Anzahl an Bürgern in Lauf und dem Nürnberger Land in den Mittelpunkt, die aus den überwiegend von Deutschen besiedelten Gebieten der ehemaligen Tschechoslowakei fliehen mussten oder vertrieben wurden. Im Stadtarchiv Lauf waren viele von ihnen bereits vorstellig geworden, hatten dort Erinnerungen an die alte „Heimat“ und die eigene Geschichte gleichsam deponiert, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Immer mehr geriet damit der Wunsch in den Vordergrund, in einem „Zeitzeugen-Projekt“ diese Geschichte(n) in greifbarer Form niederzulegen. Die prekäre politische Situation in Deutschland, die seit dem Sommer 2015 das Thema Flucht aus Krisen- und Kriegsgebieten auch im Nürnberger Land erneut in die Diskussion brachte, beflügelte die Entscheidungsfindung. Noch leben die Zeitzeugen der Ereignisse des von Genoziden und Rassismen durchzogenen 20. Jahrhunderts und können mit ihren Berichten Stellung beziehen, die für eine Wiederkehr ähnlicher historischer Ereignisse gleichsam „Wegweiser“-Funktion haben. Den Rahmen für die Gesprächsrunden mit den Zeitzeugen von einst und jetzt bildete die Ausstellung der tschechischen Graphic Novel „Alois Nebel“. Der international bekannte Comicroman der tschechischen Autoren Jaroslav Rudiš und Jaromír 99 behandelt das Thema Flucht, Vertreibung und Deportation im 20. Jahrhundert in der Mitte Europas. Rudis selbst verbrachte zwei Tage in Lauf, um Jugendlichen und allen Interessierten von den persönlichen und politschen Hintergründen zu seiner Kunstfigur zu berichten.
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